TV 12 Sep 2011

Eltern lernen in der Schule ihrer Kinder

Deutsch mit Praxisbezug: In der Grundschule Bernkastel-Kues erhalten die Eltern der Kinder mit Migrationshintergrund kostenlosen Deutschunterricht. Auch für Kinderbetreuung ist gesorgt.

Bernkastel-Kues. Es ist ruhig an diesem Morgen in der Grundschule Bernkastel-Kues. Die Kinder sind in den Klassenräumen, lernen Mathematik, Deutsch und Kunst. In einem Raum nimmt die Lehrerin Reinhild Berktold ein Stück Kreide in die Hand und schreibt den Halbsatz an die Tafel: "Im Supermarkt kaufe ich …" Sie dreht sich zu ihren Schülern, blickt in die Runde. "Und was kaufen Sie?"

Reinhild Berktold, Aleza Butrus, Fatma Emhmed und Kadrije Pushkolli (von links) überlegen, wie das Obst auf der Tischkarte heißt. TV-Foto: Anita Lozina
Reinhild Berktold, Aleza Butrus, Fatma Emhmed und Kadrije Pushkolli (von links) überlegen, wie das Obst auf der Tischkarte heißt. TV-Foto: Anita Lozina

Sie duzt ihre Schülerinnen nicht, denn vor ihr sitzen erwachsene Frauen. Sie gehen einmal die Woche in die Schule ihrer Kinder, um selbst etwas Elementares zu lernen: die deutsche Sprache. Falls sie kleinere Kinder haben, können sie diese während des Unterrichts im Nebenraum betreuen lassen.

Seit Mai gibt es diesen - durch ehrenamtliche Helfer kostenlosen - Unterricht mit Kinderbetreuung der Grundschule Bernkastel-Kues und des Bündnisses für Menschlichkeit und Zivilcourage (BFMUZ) Bernkastel-Wittlich. "Kinder mit Migrationshintergrund haben oft Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache", sagt Schulsozialarbeiterin Anne Konrad. "Die Eltern können aber oft nicht helfen, da sie dieselben Probleme haben. Das möchten wir ändern." Es ist das erste derartige Projekt im Kreis und laut BFMUZ-Vorsitzenden Yaghoub Khoschlessan ist es auch "einzigartig in Deutschland."

Die Frage der Lehrerin steht noch im Raum, die Frauen sehen sich betreten an. Schließlich meldet sich Aleza Butrus: "Ein Kilogramm Käse." Berktold lacht. "Oh, das ist aber eine ganze Menge. Könnten Sie das an die Tafel schreiben?" Butrus möchte eigentlich nicht, geht dann aber doch nach vorne und schreibt ihren Einkauf korrekt an die Tafel. "Super, genau richtig", lobt Berktold die Irakerin. Die Eltern lernen Deutsch für den Alltag. Es geht darum, alltägliche Situationen zu meistern - wie eben den Einkauf im Supermarkt.

Phung thi Dinh kommt ursprünglich aus Vietnam. Der jungen Frau fällt die deutsche Aussprache schwer, was sich vor allem am Telefon bemerkbar macht. Mit der lateinischen Schrift hat sie dagegen weniger Probleme. "Mir gefällt der Unterricht, und er hilft mir auch", sagt sie. Genau umgekehrt ist es bei Kadrije Pushkolli, die ursprünglich aus dem Kosovo kommt: Mit dem gesprochenen Wort hat sie weniger Probleme als mit dem geschriebenen: "Der Unterricht hilft mir, besser zu schreiben."

Es ist nicht das einzige Deutschprojekt des BFMUZ. Der Verein unterrichtet auch etwa 50 Ausländer zu Hause. Dabei besuchen 16 ehrenamtliche Helfer die betroffenen Familien kreisweit, unter anderem in Osann-Monzel, Wittlich-Bombogen oder Traben-Trarbach. Sie unterhalten sich mit den Familienmitgliedern auf Deutsch, damit diese ganz natürlich die Sprache lernen. Sie helfen aber auch bei Behördengängen, bei der Arbeit und bei Arztbesuchen. "Dabei entstehen auch Freundschaften", sagt Khoschlessan. "Und die ausländischen Mitbürger haben das Gefühl, dass sie bei uns mit offenen Armen empfangen werden."

Das BFMUZ sucht ehrenamtliche und mobile Deutschlehrer aus dem Kreis und vor allem aus Traben-Trarbach. Pädagogische Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Infos bei Wolfgang Tilsner, Telefon: 06531/9725916, E-Mail: wtilsner@t-online.de, Internet: www.bfmuz.org

Das Bündnis für Menschlichkeit und Zivilcourage Bernkastel-Wittlich möchte die Einwohner im Kreis für die Themen Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Extremismus sensibilisieren. Gleichzeitig will es einen Beitrag zur besseren Völkerverständigung leisten. Unter anderem veranstaltet das Bündnis Feste und Vorträge zu Kulturen, Riten, Musik und Geschichte anderer Länder. alo

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TV 19 Sep 2011

Bündnis unterstützt neue Bibliothek in Auschwitz

Bücher für das polnische Oswiecim: Das Bündnis für Menschlichkeit und Zivilcourage unterstützt die Einrichtung einer neuen Bibliothek im ehemaligen Auschwitz. Mit dabei ist Rose Marie Gnausch mit einem Elefanten-Projekt.

 Mitglieder vom Bündnis für Menschlichkeit und Zivilcourage mit Rose Marie Gnausch (vierte von links). Foto: privat

Bernkastel-Kues. Das Bündnis für Menschlichkeit und Zivilcourage hat der neuen Bibliothek im polnischen Oswiecim (Auschwitz) 500 Bücher überreicht. Mitglieder des Vereins und Bürger aus dem Kreis Bernkastel-Wittlich haben die Bücher gespendet. Sie sollen eine Geste des Friedens und der Freundschaft zur Einweihung und Eröffnung der Bibliothek sein. Die Nazis hatten dem Ort während des Zweiten Weltkriegs den Namen Auschwitz gegeben. Dort und im benachbarten Birkenau (Brzezinka) betrieben sie eines der berüchtigsten Konzentrationslager.

Heute engagieren sich viele zivile Organisationen und einzelne Menschen für eine Wiederbelebung und den Erhalt der europäischen Kultur und ein friedliches Miteinander. Es sind nicht nur Diplomaten und Politiker, die sich für diese Ziele einsetzen. Eine wichtige Säule der Völkerverständigung sind die vielen Menschen und zivilgesellschaftlichen Gruppen, die viel Zeit und Arbeit investieren, um Menschen einander näherzubringen und Vorurteile abzubauen.

Als Zeichen der Versöhnung reiste die Künstlerin Rose Marie Gnausch auf Einladung der Stadt Oswiecim mit über tausend Elefanten aus ihrem Projekt "Elephants for Peace" von Berlin nach Oswiecim. Zuvor waren Schulkinder und Erwachsene aufgefordert gewesen, mit gebastelten und gezeichneten Elefanten - als Symbol der Macht, Stärke, Größe, Friedfertigkeit, Geselligkeit und Toleranz - an einem Wettbewerb teilzunehmen. Die Zeichnungen, Bilder und Elefantenfiguren aus dem Projekt werden demnächst auch nach Istanbul und Israel gebracht. Mit den Elefanten war die Künstlerin bereits auf Zypern, in Schengen, Straßburg, Köln und Berlin (der TV berichtete).

Yaghoub Khoschlessan, Vorsitzender des Bündnisses, sagte: "Weshalb wir heute glücklich sind, ist die Tatsache, dass wir als Deutsche die Chance erhalten haben, wieder hierherzukommen - doch diesmal statt mit Waffen und Vernichtungswillen mit einer Geste des Friedens, der Toleranz, der Verständigung und des Respekts im Gepäck." red

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ES WAREN MENSCHEN WIE DU UND ICH

GEDENKSTUNDE

FÜR DIE OPFER DES NATIONALSOZIALISMUS

POGROMNACHT 1938

AM

MITTWOCH, DEN 9. NOVEMBER

18.00 – 19.00 UHR

KARLSBADER PLATZ,  BERNKASTEL _ KUES

MIT BEITRÄGEN UND KLEZMERMUSIK

(IM ZELT)

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TV 10 Nov 2011

Im Gedenken an Menschen wie du und ich

An einer Gedenkstunde auf dem Karlsbader Platz anlässlich der Reichspogromnacht haben 60 Menschen teilgenommen. Die Feier stand in diesem Jahr unter dem Motto: "Sie waren Menschen wie du und ich". Jugendliche beteiligten sich mit eigenen Beiträgen.

Vor einem Davidstern gedenken Bürger der ermordeten Juden. TV-Foto: Christoph Strouvelle Bernkastel-Kues.
Vor einem Davidstern gedenken Bürger der ermordeten Juden. TV-Foto: Christoph Strouvelle Bernkastel-Kues.

Anlässlich der Reichspogromnacht am 9. November 1938 versammelten sich auf dem Karlsbader Platz in Bernkastel-Kues 60 Personen. Sie gedachten der ermordeten Juden im Dritten Reich. Organisiert wurde die Gedenkstunde, die zum vierten Mal stattfand und in diesem Jahr unter dem Motto "Sie waren Menschen wie du und ich" stand, vom Bündnis für Menschlichkeit und Zivilcourage und von dem katholischen Frauenverein Kues. Yaghoub Khoschlessan vom Bündnis erinnerte in seiner Ansprache an die Repressalien, die die Juden nach 1933 erdulden mussten. Die Palette der Einschränkungen reichte von Berufsverboten für Wissenschaftler, Ärzte, Lehrer und Anwälte über Besuchsverboten von Theatern über Beleidigungen bis hin zu Aufrufen, bei Juden nicht einzukaufen, und weiteren Erniedrigungen. Dabei gab es vorher kaum wesentliche Differenzen zwischen Juden und Christen, sagte Khoschlessan. "Es gab sogar Mischehen zwischen Juden und Christen, mehr, als zwischen Katholiken und Protestanten.". Er wies darauf hin, dass die Juden integriert waren und sowohl an der Mosel als auch im Hunsrück das heimische Platt sprachen. Khoschlessan forderte zum Dialog auf: "Wenn wir nicht miteinander reden, wissen wir nichts voneinander."

Ruth Maria Kohl vom katholischen Frauenverein Kues ging auf die Juden ein, die einst in Bernkastel gelebt hatten. "Im Jahre 1933 gab es in Bernkastel-Kues eine Gemeinde von 59 Mitgliedern, heute gibt es keine Gemeinde mehr", sagte sie. Nur wenige Kontakte beständen noch zu ehemaligen jüdischen Familien aus Bernkastel-Kues. "Ein Stück Stadtgeschichte ist brutal abgebrochen", sagte sie. Kohl griff das Schicksal einzelner Personen und Familien auf, die während der Nazizeit aus Deutschland ausgewandert oder geflohen waren. Alle seien Menschen wie du und ich, denn "im Grunde sind wir alle gleich und erstreben alle dasselbe, ein gutes Leben in Frieden mit Freunden und Familie", zitierte Kohl einen Brief einer Holocaustüberlebenden aus Kues, die jetzt in den USA lebt.

Andere Redner gingen auf weitere Details der Judenverfolgung im Dritten Reich ein. "Ich freue mich, dass auch einige Jugendliche sich mit Beiträgen an der Gedenkfeier beteiligten", sagte Khoschlessan. Die Beiträge wurden eingerahmt von jüdisch-liturgischen Liedern, die einst am Sabbat gespielt wurden. cst

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 TV 8 Dez 2012

Weihnachtliche Feier als Fest der Begegnung

Wie feiern wir in Deutschland Advent und Weihnachten? Diese Kultur kennenzulernen, dazu sind die ausländischen Mitbürger ins Hotel Burg Landshut eingeladen. Das "Bündnis für Menschlichkeit und Zivilcourage" veranstaltet die Adventsfeier, zu der Migrantenfamilien in der Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues und dem Kreis Bernkastel-Wittlich, die freiwilligen deutschen Lehrkräfte sowie alle Freunde des Vereins eingeladen sind.

Die Feier steht unter der Schirmherrschaft von Verbandsbürgermeister Ulf Hangert.

"Uns geht es darum, die deutsche Advents- und Weihnachtskultur den Ausländern, die mit dieser Festlichkeit und deren Grund nicht vertraut sind, bekanntzumachen", sagt Yaghoub Khoschlessan, Vorsitzender des Bündnisses. Gleichzeitig ist das Fest auch Dank und Anerkennung an alle Ehrenamtlichen, die den Ausländern Deutschunterricht erteilen.

Mit Erzählungen, Geschichten, Musik und Gesang soll die besinnliche Feier versuchen, den ausländischen Mitbürgern den Sinn und die Bedeutung von Advent und Weihnachten zu erklären. Auch St. Nikolaus wird zu Besuch kommen und Süßes aus seinem Sack an die Kleinen verteilen.

Die Advents- und Weihnachtsfeier beginnt am Samstag, 10. Dezember, um 15 Uhr im Hotel Burg Landshut in Bernkastel. mbl